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Kernschmelze

Eine Kernschmelze kann für Mensch und Umwelt katastrophale Auswirkungen haben. Mehrmals kam es in der Geschichte schon zu einem solchen verheerenden Reaktor-Unglück. Doch was genau passiert eigentlich bei einer Kernschmelze? Und welche Folgen hat ein Super-GAU für die Bevölkerung? Wir erklären Ihnen, wie der Vorgang abläuft, und gehen außerdem darauf ein, was bei einer Kernschmelze zu tun ist.

Inhalt dieser Seite
  1. Das Wichtigste in Kürze
  2. Begriffserklärung
  3. Ablauf bei einer Kernschmelze
  4. Folgen für Mensch und Umwelt
  5. Wie hoch ist das Risiko in Europa?
  6. Verwandte Themen
  7. Weiterführende Links
  8. Jetzt Stromtarif sichern

Das Wichtigste in Kürze

  • Zu einer Kernschmelze kommt es, wenn die Kühlungssysteme eines Reaktors ausfallen und sich die Spaltprodukte zu stark erhitzen.
  • Der Austritt von radioaktivem Material in die Umgebung führt zu einem erhöhten Krebsrisiko bei der Bevölkerung und kontaminierten Böden.
  • Zu den verheerendsten Nuklearkatastrophen der Geschichte zählen die Reaktorunfälle in Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011).

Was versteht man unter einem Kernreaktor, einer Kernschmelze und einem Super-GAU?

Damit Sie den genauen Ablauf einer Kernschmelze nachvollziehen können, empfiehlt es sich, zunächst die wichtigsten Begriffe zu klären.

Kernreaktor

Bei einem Kernreaktor (auch Atommeiler genannt) handelt es sich um eine Anlage, mit der sich spezifische nukleare Reaktionen durchführen lassen. Meist handelt es sich hierbei um eine Kernspaltung. Eine solche findet grundsätzlich in Atomkernen statt, daher die Bezeichnung "Kernreaktor".

Je nach Zweck kommen unterschiedliche Arten von Kernreaktoren zum Einsatz. Zur Generierung von elektrischer Energie setzt man insbesondere auf Siedewasserreaktoren oder Druckwasserreaktoren. Die durch die Kernreaktionen erzeugte Wärme wird dabei genutzt, um heißen Wasserdampf zu produzieren. Dieser treibt wiederum eine Turbine an, die gleichzeitig als Generator dient.

Daneben erfüllen Kernreaktoren auch andere Zwecke. So lassen sich mit den Meilern unter anderem Radioisotope herstellen, die sich in der Medizin zur Diagnostik oder Strahlentherapie, in der Forschung sowie zur Herstellung von Waffen nutzen lassen.

Kernschmelze

Experten unterscheiden zwischen einer vollständigen Kernschmelze und einer partiellen Kernschmelze. Von einer vollständigen Kernschmelze spricht man, wenn das gesamte Brennelement-Material aufgrund von übermäßiger Erhitzung schmilzt und der Kernreaktor irreparablen Schaden nimmt. Häufig geht ein solches Vorkommnis mit einer Explosion des Reaktorkerns einher. Eine partielle Kernschmelze liegt vor, wenn nicht alle, sondern nur ein Teil der Brennelemente von der Schmelze betroffen ist.

GAU und Super-GAU

Bei einem GAU – dem "größten anzunehmenden Unfall" – handelt es sich um eine Reaktorkatastrophe, deren Auswirkungen gerade noch durch die Sicherheitssysteme beherrschbar sind. Ein Unfall, bei dem es zu einer Kernschmelze mit unbeherrschbaren Konsequenzen kommt, wird als Super-GAU bezeichnet. In den vergangenen Jahrzehnten kam es bereits mehrere Male zu GAUs und Super-GAUs.

Der genaue Ablauf bei einer Kernschmelze

Im Zuge der Kernspaltungsprozesse werden große Mengen an Wärmeenergie freigesetzt. Diese wird gemeinhin auch als Nachzerfallswärme bezeichnet, da sie nach dem Zerfall der Spaltprodukte entsteht. Mithilfe von Kühlungssystemen wird die Temperatur der Spaltprodukte auf einem handhabbaren Niveau gehalten. Ist dies nicht mehr möglich, zum Beispiel wegen eines Stromausfalls oder, weil die Kühlung des jeweiligen Reaktors beschädigt ist, kommt es zunächst zu einer partiellen Kernschmelze. Infolgedessen bildet das geschmolzene Material einen Schmelzklumpen, der sich in seinem Inneren durch den Zerfall der Spaltprodukte aufheizt und der sich nur von außen über seine Oberfläche kühlen lässt.

Um eine vollständige Kernschmelze verhindern zu können, hängt nun alles davon ab, ob sich die Schmelze durch eingespeistes Wasser so weit kühlen lässt, dass sie an der Oberfläche fest wird. Die Kühlung muss so lange aufrechterhalten bleiben, bis die durch den Zerfall der Spaltprodukte erzeugte Wärmeleistung so weit zurückgegangen ist, dass der Schmelzklumpen auch ohne Kühlung fest bleibt.

Gelingt es nicht, den Schmelzklumpen ausreichend zu kühlen, kann die Kernschmelze immer größere Bereiche des Reaktorkerns erfassen und der Schmelzklumpen wächst. Das hat zur Folge, dass nun immer größere Kühlanstrengungen erforderlich sind. Im schlimmsten Fall kann bei besonders großen Schmelzklumpen selbst unter Wasser die Oberflächentemperatur den Schmelzpunkt überschreiten, sodass der Schmelzklumpen auch unter Wasser flüssig wird. Eine vollständige Kernschmelze ist dann nicht mehr zu abzuwenden.

Um eine solche Katastrophe zu verhindern, sind sämtliche Atomkraftwerke mit Sicherheitsmechanismen ausgestattet. Im besten Fall sind diese voneinander unabhängig, sodass immer noch ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet ist, wenn eine der Komponenten defekt ist. Zu den wichtigsten Sicherheitsmodulen zählt das Notkühlungssystem, das bei einer übermäßigen Erhitzung der Brennelemente zum Einsatz kommt. Zudem verfügen die allermeisten Kernkraftwerke über Schutzmäntel, die beim Austreten von radioaktivem Material als Barriere wirken.

Diese Folgen hat eine Kernschmelze für Mensch und Umwelt

Das Austreten von radioaktivem Material in die Umgebung des Kraftwerks kann dramatische Folgen für uns Menschen und die Umwelt haben. Aus diesem Grund müssen die betroffenen Regionen stets weiträumig evakuiert werden. Zu den wichtigsten Konsequenzen zählen die folgenden:

  • Der geschmolzene Reaktorinhalt, der sich unter anderem aus gefährlichem Uran und Plutonium zusammensetzt, verteilt sich in der Umgebungsluft und kann bei Mensch und Tier schwerwiegende gesundheitliche Probleme hervorrufen. Bei einer kurzfristigen Strahlenbelastung von 0,25 Sievert kann bei Betroffenen die sogenannte Strahlenkrankheit auftreten. Symptome sind unter anderem Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Steigt die Belastung auf einen Wert von vier Sievert, kann die Erkrankung zum Tod führen.
    Langfristig ist bei Personen, die in verstrahlten Regionen leben, ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko zu beobachten. Vor allem Schilddrüsenkrebs, Leukämie und solide Tumoren treten häufiger auf.
  • Auch psychische Beeinträchtigungen wie Angstzustände, Depressionen und Stresssymptome kommen in der betroffenen Bevölkerung in ungewöhnlicher Häufigkeit vor.
  • Das radioaktive Material kann sich durchs Erdreich fressen und viele Quadratkilometer Boden sowie Pflanzen kontaminieren und – falls keine Überwachungsmaßnahmen ergriffen werden – auch in die Nahrungskette von uns Menschen und Tieren gelangen. Das kann wiederum schwere Erkrankungen hervorrufen. Davon abgesehen nehmen Pflanzen auch radioaktives Material über Regenwasser und die Luft auf.

Kernschmelze tritt ein: Welche Maßnahmen empfehlen Experten?

Mitte April 2023 sind die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland endgültig vom Netz gegangen, weshalb der Maßnahmenkatalog der Bundesregierung mittlerweile nur noch im Hinblick auf potenzielle Kernschmelzen im nahegelegenen Ausland relevant ist. Der Katalog, den das Ministerium in Zusammenarbeit mit Nuklearexperten entwickelt hat, umfasst die folgenden Punkte:

  • In der näheren Umgebung bis etwa 20 Kilometer sollen alle Bewohner evakuiert werden. Diese Maßnahme ist tatsächlich noch von Bedeutung, da die AKWs in Beznau (Schweiz) und Cattenom (Frankreich) weniger als 20 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt liegen.
  • Alle Personen, die sich mehr als 20 und weniger als etwa 100 Kilometer vom betroffenen AKW aufhalten, sollen in ihren Wohnungen bleiben.
  • Dringend empfohlen wird die Einnahme von Kaliumiodidtabletten, um die Schilddrüse vor radioaktivem Jod zu schützen.
  • Im Agrarbereich sind zudem verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um Kontaminationen zu vermeiden. Weidetiere sollen in den Stall gebracht und landwirtschaftliche Produkte sollen vorzeitig abgeerntet oder abgedeckt werden.

Reaktorunfälle in der Vergangenheit

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte kam es mehrmals zu verheerenden Reaktorunfällen und zu insgesamt fünf Kernschmelzen. Zu den bekanntesten gehört die Nuklearkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl am 26. April 1986. Bei einer Simulation eines vollständigen Stromausfalls kam es aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen die geltenden Sicherheitsvorschriften zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg, der zur Explosion des Reaktors führte.

Die Folge: Neben Strontium-90, Plutonium und anderen schwerflüchtigen radioaktiven Stoffen gelangten auch radioaktives Jod und Cäsium in die Atmosphäre. Vor allem letztere hatten gravierende Auswirkungen, denn durch den thermischen Auftrieb wurden die radioaktiven Stoffe hunderte Kilometer weit transportiert. So waren auch Gebiete in Mittel-, Ost- und Südeuropa direkt von der Katastrophe betroffen. Aufenthalte in der Gegend rund um Tschernobyl sind bis heute aus Strahlungsschutzgründen nicht zu empfehlen.

Eine weitere Nuklearkatastrophe von historischem Ausmaß ereignete sich am 11. März 2011 in der japanischen Stadt Fukushima. Vier Blöcke des dortigen Atomkraftwerks wurden beschädigt, nachdem es in der unmittelbaren Gegend zu einem verheerenden Seebeben gekommen war. Infolgedessen brach das Kühlungssystem zusammen und es folgten mehrere Explosionen, woraufhin große Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt gelangten. Rund 470.000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen.

Als erster GAU ging die Kernschmelze im US-amerikanischen Atomkraftwerk Three Mile Island in die Geschichte ein. Die Brennstäbe eines der Reaktoren erhitzten sich am 28. März 1979 so stark, dass eine Explosion drohte. Diese ließ sich aber glücklicherweise abwenden.

Kernschmelze in Europa: Wie hoch ist das Risiko einer Reaktorkatastrophe?

Nach einer Berechnung des Max-Planck-Instituts für Chemie können Katastrophen wie in Tschernobyl oder Fukushima alle zehn bis 20 Jahre auftreten können. Grundlage der Kalkulation aus dem Jahr 2012 waren die addierten Laufzeiten aller Atomkraftwerke in Relation zu den bis dato verzeichneten Kernschmelzen. Das Risiko einer Nuklearkatastrophe steigt dabei mit zunehmendem Alter des jeweiligen Kraftwerks. Denn marode Komponenten sorgen logischerweise für ein höheres Ausfallrisiko – und das kann vor allem im Hinblick auf das Kühlungssystem schwerwiegende Konsequenzen haben.

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