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Atomausstieg

Der Begriff „Atomausstieg“ stammt ursprünglich aus der Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er-Jahre. Die Atomkatastrophe von Tschernobyl, zahlreiche Pannen und Störfälle, die ungeklärte Frage nach einem Endlager und vor allem der Reaktorunfall in Fukushima ließen die Rufe nach dem Kernkraftausstieg immer lauter werden. Im Jahr 2011 entschloss sich die Bundesregierung dann endgültig zum Atomausstieg.

Inhalt dieser Seite
  1. Das Wichtigste in Kürze
  2. Argumente für den Atomausstieg
  3. Etappen des Atomausstiegs in Deutschland
  4. Kritik
  5. Kernkraftausstieg in anderen Ländern
  6. Verwandte Themen
  7. Weiterführende Links
  8. Jetzt Stromtarif sichern

Das Wichtigste in Kürze

  • Die rot-grüne Regierung besiegelte 2000 den ersten Atomausstieg der Bundesrepublik, doch 2010 wurden die Reaktorlaufzeiten im "Atompaket" erneut verlängert.
  • Infolge des Super-GAUs im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi entschied sich die Bundesregierung 2011 dazu, die Laufzeit aller deutschen Kernkraftwerke bis 2022 stufenweise zu beenden.
  • Mittlerweile wurden alle deutschen Atomkraftwerke heruntergefahren, die letzten drei gingen aufgrund des Ukraine-Kriegs jedoch erst im April 2023 vom Netz.

Argumente für den Atomausstieg

Die Kernenergie bringt verschiedene Vor- und Nachteile mit sich, die kontrovers diskutiert werden – sowohl seitens der Wissenschaft als auch seitens der Gesellschaft. Insbesondere bei der Frage "Wie sicher ist Atomkraft?" fallen die Ansichten sehr unterschiedlich aus. Fachleute und Atomkraftgegnerinnen beziehungsweise -gegner weisen bereits seit Jahrzehnten auf die von der Kernkraft ausgehenden Gefahren hin. Zu den wichtigsten Argumenten für den Atomausstieg zählen:

  • Sicherheitsrisiko: Seitdem Atomkraft zur Energiegewinnung genutzt wird, kam es bereits zwei Mal zu großen Atomkatastrophen (1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima). Bei den Störfällen traten radioaktive Stoffe aus, was zur Kontaminierung weiter Landflächen geführt hat. Zudem erfuhren viele Menschen in den entsprechenden Gebieten eine deutlich erhöhte Strahlenbelastung. Forschende des Max-Planck-Instituts für Chemie gehen davon aus, dass rund alle 10 bis 20 Jahre mit einem derartigen Reaktorunfall zu rechnen ist.
  • Atommüll: Die Erzeugung von Kernenergie zieht radioaktiven Abfall nach sich, der für tausende Jahre verwahrt werden muss. Bisher liegt noch kein plausibles Konzept für eine sichere Endlagerung vor. Auch Deutschland sucht aktuell noch nach einem passenden Standort für ein Endlager für Atommüll. Dank des Kernkraftausstiegs vergrößert sich die zu entsorgende Masse nicht mehr weiter.
  • Uranbergbau: Sowohl in der Vergangenheit als auch heutzutage beeinflusst der Uranbergbau die Umwelt und die in der Abbauregion lebenden Menschen mitunter sehr stark. Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern, in denen Umweltfaktoren nur eine untergeordnete Rolle spielen, verursachen Abbau und Aufbereitung des Uranerzes beträchtliche Umweltschäden. Dazu zählen beispielsweise die radioaktive Belastung des Grundwassers und der Umgebungsluft, aber auch radioaktiv belastetes Erdreich.

Es gibt aber noch weitere Gründe für den Atomausstieg. Einerseits trägt der Verzicht auf Kernkraft dazu bei, die Abhängigkeit von nicht-erneuerbaren Energiequellen zu reduzieren. Andererseits fördert der Atomverzicht Innovationen und technologische Fortschritte – insbesondere im Bereich regenerativer Energieträger.

Etappen des Atomausstiegs in Deutschland

Per Beschluss ebnete der Deutsche Bundestag am 30. Juni 2011 den Weg für den Atomausstieg. Bis zur Abschaltung des letzten Kernkraftwerks sollten aber noch mehr als zehn Jahre vergehen. Gleichzeitig stellte die auf einer parteiübergreifenden Mehrheit basierende Entscheidung den Startschuss für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle dar.

Der rot-grüne Atomausstieg

Die rot-grüne Regierung besiegelte im Jahr 2000 den ersten Atomausstieg der Bundesrepublik. Das erklärte Ziel bestand darin, die Energiewende vom fossil-nuklearen zum solar-effizienten Zeitalter einzuleiten. Im Juni vereinbarte die Regierungskoalition mit führenden Energieversorgern das Abkommen zum Atomausstieg. Dieser "Atomkonsens" sah vor, die Nutzung der Kernenergie geordnet zu beenden.

Am 14. Dezember 2001 wurde der Atomausstieg in Deutschland via Beschluss schließlich vom Bundestag verabschiedet. Union und FDP nahmen von dem Ausstiegsgesetz Abstand. Mit der Novelle des Atomgesetzes vom 26. April 2002 wurde die rot-grüne Ausstiegsvereinbarung rechtsverbindlich umgesetzt.

Der Ausstieg aus dem Kernkraftausstieg

Aus dem rot-grünen Atomkonsens wurde jedoch nichts: Die schwarz-gelbe Koalition aus CDU, CSU und FDP vereinbarte 2009 in ihrem Koalitionsvertrag längere Reaktorlaufzeiten von bis zu 15 Jahren und damit den Ausstieg aus dem Atomausstieg. Die Atomkraft sollte als Übergangstechnologie die Zeit überbrücken, die für eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien benötigt werde. In dem sogenannten "Atompaket" wurden 2010 neben den verlängerten Laufzeiten auch eine Brennelementesteuer für die Atomkraftwerksbetreiber und die Wiederaufnahme der Erkundungen des Salzstocks Gorleben als mögliches Endlager festgeschrieben.

Anti-Atom-Bewegung lebt neu auf

Für das "Atompaket" erntete das Kabinett Merkel erhebliche Kritik: Neben der Opposition kritisierten auch Umweltverbände, Gewerkschaften, Landesregierungen, Bürgerinitiativen und Kirchenvertreterinnen beziehungsweise -vertreter die Entscheidung. Deutschlandweit gingen hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen Merkels Atompläne zu demonstrieren. Doch die schwarz-gelbe Regierung verteidigte ihre Pläne, da Atomkraft sicher, günstig und umweltfreundlich sei – bis die Reaktorkatastrophe von Fukushima die Regierung im März 2011 eines Besseren belehrte.

In Japan hatten ein schweres Erdbeben und ein darauffolgender Tsunami die Meiler des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi trotz aller Schutzvorkehrungen stark beschädigt. In mehreren Meilern drohte eine Kernschmelze. Durch Stromausfälle konnte die zwingend nötige Kühlung der Brennstäbe nicht aufrechterhalten werden: Es folgte der Super-GAU. Deshalb – oder auch weil in strategisch wichtigen Bundesländern Wahlen anstanden – änderte Merkel ihre Meinung und reagierte prompt. Sie setzte die Verlängerung der Atomlaufzeiten für drei Monate aus, um die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke zu überprüfen.

Der schwarz-gelbe Atomausstieg

Es folge eine beispiellose politische Kehrtwende: CDU, CSU und FDP beendeten endgültig die Ära der Atomkraft in Deutschland. Die Bundesregierung setzte eine Ethik-Kommission ein, die zu dem Ergebnis kam, dass sich der Atomverzicht innerhalb eines Jahrzehnts realisieren ließe. Auf Basis dieser Entscheidung entschied die schwarz-gelbe Bundesregierung, die Laufzeit aller deutschen Kernkraftwerke stufenweise bis zum Jahr 2022 zu beenden.

Am 30. Juni 2011 beschloss der Deutsche Bundestag daraufhin das Atomausstiegs-Gesetz, für das insgesamt 513 der 600 Abgeordneten stimmten. Noch im selben Jahr wurde acht Atomkraftwerken die Berechtigung zum weiteren Leistungsbetrieb entzogen, etwa Biblis A und B, Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel. Gleichzeitig läutete der Beschluss die Energiewende ein.

Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke im April 2023

Nachdem bis Ende 2021 auch die Atomkraftwerke Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf abgeschaltet wurden, sollten die verbleibenden drei Reaktoren eigentlich Ende 2022 vom Netz gehen. Infolge des Ukraine-Kriegs einigte sich die Ampelkoalition jedoch darauf, die Kernkraftwerke noch einige Monate im Streckbetrieb weiterlaufen zu lassen. Daher wurden die letzten drei Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 erst am 15. April 2023 vom Netz genommen.

Jahrzehntelanger Rückbau

Obwohl mittlerweile alle deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet sind, wird der Rückbau der Anlagen noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Von den 33 Kernkraftwerken, die in Deutschland jemals in Betrieb gingen, wurden bis April 2023 erst drei komplett zurückgebaut. Rund 95 Prozent des Gesamtvolumens an Atommüll entfallen auf schwach- bis mittelradioaktiven Abfall. Endgültig abgeschlossen ist der Kernkraftausstieg erst, wenn die Bundesrepublik ein geeignetes Endlager gefunden hat, in dem der Atommüll sicher verwahrt werden kann.

Kritik am Atomausstieg

Auch wenn es für den Atomausstieg viele Gründe gibt, existieren ebenso kritische Stimmen. Befürworterinnen und Befürworter der Kernenergie führen unter anderem folgende Argumente an:

  • Günstiger Strom: Mithilfe der Kernkraft lässt sich Strom günstig erzeugen. Deutschland zählt zu den Staaten mit den weltweit höchsten Strompreisen.
  • CO2-arme Energiequelle: Atomkraft ermöglicht eine kohlenstoffarme Energieproduktion und kann somit zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beziehungsweise zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen.
  • Hohe Versorgungssicherheit: Kernkraftwerke sind grundlastfähig, produzieren – anders als einige erneuerbare Energiequellen – also rund um die Uhr ausreichend Strom.
  • Geringer Flächenbedarf: Verglichen mit großen Solarkraftwerken oder Windparks benötigen Atomkraftwerke weniger Fläche, um eine vergleichbare Strommenge zu erzeugen.
  • Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen: Gegnerinnen und Gegner des Atomausstiegs argumentieren außerdem damit, dass durch den Verzicht auf Kernkraft mehr Strom aus Kohle und Gas erzeugt werden muss.

Kernkraftausstieg in anderen Ländern

Neben Deutschland gibt es noch weitere Staaten, die den Atomausstieg infolge der Reaktorunglücks von Fukushima beschlossen haben. Die Schweiz hat sich beispielsweise darauf festgelegt, keine neuen Atommeiler mehr zu bauen und schrittweise aus der Kernkraft auszusteigen. Allerdings sollen die Schweizer Kernkraftwerke noch möglichst lange betrieben werden. Spanien möchte seine Atomkraftwerke bis spätestens 2035 abschalten. Italien legte seine Atomkraftwerke bereits im Jahr 1987 nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl still.

In anderen Ländern wurde der geplante Kernkraftausstieg dagegen wieder verworfen. Dies trifft beispielsweise auf Schweden, Belgien und die Philippinen zu – aber auch auf Japan, das sich aufgrund einer drohenden Stromknappheit für den Ausstieg vom Ausstieg entschieden hat.

EU-Staaten gründen Nuklear-Allianz

Während sich einige Staaten für den Atomausstieg entschieden haben, wollen andere Länder Kernenergie weiterhin nutzen. Aktuell werden in knapp der Hälfte aller EU-Mitgliedstaaten Atomkraftanlagen betrieben. Im Februar 2023 haben sich elf Länder der Europäischen Union – darunter beispielsweise Frankreich, die Niederlande und Polen – zu einer Nuklear-Allianz zusammengeschlossen. Das Ziel der Zusammenarbeit besteht darin, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu senken. Dies soll durch die Förderung neuer Projekte erreicht werden. Deutschland lehnt diesen Kurs – ebenso wie Österreich und Spanien – ab.

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